#1 Ideenfindung: Die Grundidee
- Stefanie Henkel

- 30. Juni
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Juli
Ein ganzes Buch schreiben ... wo fängt man da an?
Willkommen auf dem allerersten Stolperstein deiner Reise zum fertigen Manuskript!
Vor Kurzem habe ich eine Umfrage auf Threads gestartet. Diese wandte sich an alle Leute, die Bücher schreiben. Ich fragte: "Hattet ihr zuerst eine Idee, die ihr dann als ein Buch schreiben wolltet oder wolltet ihr einfach ein Buch schreiben und habt euch dann erst eine Idee überlegt?"
Die meisten stimmten für Ersteres. Die Chancen stehen also gut, dass du hier gelandest bist, weil du bereits eine Idee hast.
Dennoch wird es sich auch für dich lohnen, diesen Schritt nicht zu überspringen. Denn es geht heute nicht nur um das Finden einer groben Idee, sondern um das Erstellen einer Prämisse.
Falls du überwältigt von der Anzahl an Möglichkeiten bist, versuche ich nun, dir meine Methode etwas näher zu bringen, die dir hoffentlich etwas Struktur geben wird.

Die Ideen für meine Bücher, vor allem meine Buchreihe, sind mir mehr oder weniger "zugeflogen". In meiner Arbeit mit Kindertheatergruppen habe ich allerdings eine Technik entwickelt, die eine schnelle Grundlage für eine Geschichte baut. Keine Sorge, sie ist universell einsetzbar.
Schritt 0.5: Genre
Bevor ich die Methode erkläre, eine Vorabfrage: In welchem Genre möchtest du dein Buch schreiben? Wenn deine Antwort lautet: "Ich weiß es nicht, ich hab ja noch keine Idee", ist das erst mal auch nicht so schlimm. Allerdings empfehle ich dir dann, auf diesen Schritt zurückzukommen, wenn du am Ende dieses Beitrages deine Idee ausgearbeitet hast.
Solltest du schon einen Genrewunsch haben, rate ich dir, beim Nutzen der Methode direkt die Erwartungen an dein Genre miteinzubeziehen. Z. B. unterscheiden sich die Settings von Horror, Krimis und Thrillern häufiger zu denen von Fantasy und Sci-Fi. Natürlich gibt es auch einige Mischgenres. Ich habe in meinem Glossar, das begleitend zu dieser Beitragsreihe jederzeit ergänzt wird, einige Genres aufgezählt.
Aber ich greife vorweg.
Schritt 1: Setting
Entgegen vieler anderer Schreibcoaches, die zuerst mit Charakterbögen beginnen, starte ich immer mit der simplen Frage: "Wo?"
In meiner Arbeit mit den Gruppen erstelle ich dann eine Mind-Map und schmeiße in die Runde: "Nennt mir Orte. Irgendwelche Orte. Ein See, eine Wolke, euer Garten, euer Kinderzimmer, ein Land, eine Stadt, ein Fluss, ein Mülleimer ..."
Sammle erst einmal ein paar wahllose Orte und schreibe sie als einzelne Pfade in die Mind-Map. Dabei ist vollkommen egal, wie groß oder klein diese ersten Ideen sind. Alles von "die Sonne" bis hin zu "ein Rosenblatt" kann funktionieren. Wie man an diesen Beispielen schon erkennen kann, muss es sich hierbei nicht um reale Orte handeln. Alles, was potenziell irgendwelche Lebensformen beherbergen könnte, ist in Ordnung.
Einige von euch verdrehen sicher gerade die Augen und denken sich "So ein Kinderkram, das funktioniert ja nur für Kindergeschichten". Bedenkt, dass eure Antworten auch "London" oder "Oslo" oder "Neustadt" sein können. Ob Fantasie oder reale Orte - alles ist erlaubt, sofern du dich nicht schon auf ein bestimmtes Setting eingeschossen hast. Solltest du einen historischen Roman schreiben wollen oder eine Geschichte, die so in unserer heutigen Welt stattfinden könnte, wirst du dich wahrschienlich auf nicht-fiktive Orte beschränken. Auch Dystopien entfalten unter Umständen eine größere Wirkung, wenn man sie in realen Orten verankert. Und Apropos Dystopien ...
Schritt 2: Zeit(alter)
Die nächste Frage ist das "Wann". Das erscheint bei manchen Orten vielleicht weniger relevant als bei anderen. Schreibe trotzdem einmal irgendwelche Zeitangaben an deine Orte.
Wenn ihr ein "Wann" festgelegt habt, werdet ihr merken, dass damit schon die halbe Prämisse steht. Vor allem historische Romane starten erstaunlich häufig mit dem folgendem Schema: "Stadt/Land XY, Jahr Z" (z. B. "England 1123-1173", "Europa, 1914", "England 1327", "Schottland 1946"). Das hat einen Grund: Allein dadurch werden Erwartungen geweckt und eine Vorstellung aufgebaut.
Auch hier gilt: Es darf so spezifisch oder unspezifisch wie möglich sein. "Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis" ist genauso in Ordnung wie "Das Rosenblatt auf meinem Fensterbrett am Morgen des 15. Septembers 1987".
Schritt 3: Figur
Jetzt wird es interessant, denn an dieser Stelle frage ich: "Wer lebt dort?" Und setze deiner Fantasie hier bitte keinerlei Grenzen.
Ich würde auch behaupten, das ist die erste Stelle im Prozess, wo du wirklich nachdenken musst. Der Ort und die Zeit bilden jetzt einen gewissen Rahmen, in dem sich deine Figurideen bewegen müssen. Beispielsweise verträgt sich "ein Raumschiffingenieur" nicht so gut mit einem "London im Mittelalter"-Setting, es sei denn, du willst eine Zeitreisegeschichte oder etwas in Richtung Steampunk schreiben. Du siehst, die Grenzen und Regeln verschwimmen. Alles ist erst einmal richtig und theoretisch lässt sich alles verwerten.
Ich habe diese Methode so angeordnet, weil ich das Gefühl hatte, dass es viel schwieriger ist, ohne Rahmenbedingungen mal eben so eine Figur zu erfinden. Viele Charakterbögen beinhalten zwar ähnliche Fragen nach "Wo" und "Wann", nur werden diese dann direkt in Relation zur Figur gesetzt. Da aber die wenigsten Geschichten nur eine Figur beinhalten, halte ich es für klüger, erst einmal das Setting festzulegen.
Schreib deine Figurideen einfach als neue Pfade an die Settings in der Mind-Map. Geh ruhig durch mehrere deiner vorherigen Ideen und sammle. Am Ende kannst du entscheiden, welches Setting mit welchen Figuren dir am besten gefällt.
Sagen wir, dein "Wo" ist ein See und dein "Wann" das Jahr 2025 - kannst du dir jetzt ganz viele Figuren einfallen lassen. Nur ein paar beispielhafte Denkanstöße: Wer lebt an diesem See? Am Ufer leben vielleicht Menschen ... ist da eine Stadt? Ein Dorf? Ein einsames Haus mit einer einsamen Figur? Fischer? Ein reicher Exzentriker? Ein Geheimagent?
Vielleicht geht es aber auch nicht um die, die am Ufer leben, sondern die, die im See leben. Fische? Nixen? Wassergeister? Bieber?
Und ja, auch Pflanzen dürfen vermenschlicht werden - deine Protagonisten können also auch Algen, Seetang, Muscheln oder sogar Sand sein.
Genauso kann man mit spezifischen Orten verfahren: London, 1817. Wer lebt dort? Geht es um die tatsächliche Bevölkerung? Eine Person aus der Arbeiterklasse? Oder aus der Upper Class? König George III.? Oder eine verborgene Geheimorganisation? Hexen? Zauberer?
Alles ist möglich.
Schritt 4: Hindernis
Die Chancen stehen gut, dass dir zu diesem Zeitpunkt schon jede Menge Ideen kommen. Umso besser, dann wird dieser letzte Schritt ein Klacks für dich: Was hat deine Figur für ein Problem?
Überleg nochmal: Wo und wann sind wir, und wie könnte es deine Figur beeinflussen? Was für ein Hindernis könnte sie haben?
Tatsächlich gibt es schon Klassifizierungen von literarischen Konflikten. Dazu gibt es auch einen Beitrag von Reedsy, auf den ich mich an dieser Stelle beziehe.
Zunächst einmal unterscheidet man zwischen äußeren und inneren Konflikten. Einfach gesagt: Kann der Konflikt von außen beobachtet werden oder findet er hauptsächlich im Kopf der Hauptfigur statt?
Hier macht es wieder Sinn, einen Blick auf das Genre zu werfen. Ein großer Hinweis ist z. B. das Wort "psycho" in der Genrebezeichnung (Psychologischer Horror, Psycho-Thriller ...). Hier ist zu erwarten, dass es einen großen inneren Konflikt gibt.
Genres wie Fantasy greifen eher auf äußere Konflikte zurück. Oft muss etwas "Böses" bekämpft werden, was die Welt oder die Hauptfigur bedroht.
Literarische Konflikte unterteilen sich unter anderem folgendermaßen:
Mensch gegen Mensch (Das klassische Protagonist vs. Antagonist)
Mensch gegen Maschine (Technik)
Mensch gegen Natur (z. B. Naturkatastrophen: Tornados, Fluten, Stürme...)
Mensch gegen Gesellschaft
Mensch gegen Mensch Übernatürlich (u. A. Geistergeschichten, wo die Gegner keine richtigen Charakter haben)
Mensch gegen Schicksal (häufiger in Dramen, wenn die Protagonisten versuchen, ihren auferlegten Prophezeiungen zu trotzen (z. B. König Oedipus))
Mensch gegen Selbst (behandelt häufig die Moral des Protagonisten)
Aber das ist vielleicht etwas zu weit vorgegriffen. Dazu komme ich zu einem späterem Zeitpunkt noch einmal. Für jetzt reicht es erst mal, ein einziges Problem zu formulieren, was deine Figur in deinem Setting haben könnte. Auch hier darfst du wieder so klein oder so groß wie möglich denken.
Beispiel klein: Wo? In einem Kinderzimmer. Wann? Im Jahr 2010. Wer ist da? Yvonne. Ihr Problem? Sie ist auf einen herumliegenden Legostein getreten, weil das Zimmer so unordentlich ist.
Beispiel groß: Wo? Auf einem Raumschiff im Quandranten 34. Wann? Im Jahr 4231. Wer? Der Kapitän des Schiffes, Rodrik. Sein Problem? Die Sauerstoffversorgung des Schiffes ist ausgefallen und seine Crew wird innerhalb von einer Stunde verenden, wenn sie sie nicht repariert bekommen.
Das erste Beispiel wird für dich sicher nicht so klingen, als ließe sich daraus ein ganzes Buch stricken. Tja, du wärst überrascht. Aber dazu komme ich später, wenn es ans Plotten geht.
An diesen Beispielen lässt sich aber noch eine letzte Sache erklären ...
Stakes
Nein, nicht Steaks. Wir bleiben vegetarisch.
Im Deutschen nennt man es "Einsatz", aber idiomatisch passt das nicht so ganz. Letztendlich ist damit das gemeint, was bei deiner Geschichte auf dem Spiel steht. Was könnte deine Hauptfigur verlieren, wenn sie nicht handelt?
Im Legostein-Beispiel hat Yvonne Schmerzen. Vielleicht ist sie sauer, weil das Zimmer nicht aufgeräumt ist. Es besteht die Gefahr, dass sie sich nochmal verletzt - oder stärker verletzt hat, als angenommen.
Das Captain Rodrik Beispiel ist schon etwas gefährlicher, schließlich steht hier das Leben seiner gesamten Besatzung auf dem Spiel. Noch dazu gibt es einen Countdown. Die Prämisse verspricht also viel Spannung.

Im nächsten Beitrag stelle ich noch ein paar andere Wege vor, sich inspirieren zu lassen. Dort wird es auch etwas mehr um Genres gehen.
Dazwischen habe ich in diesem Beitrag aber noch einen liebgemeinten Ratschlag für euch.
Falls ihr mit ein paar meiner Ausdrücke etwas überfordert wart, könnt ihr hier im Glossar die Begriffe nachschlagen.
Bis zum nächsten Mal!








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